Im September 2016, zur langen Nacht der Museen, führen wir als Dienstbotinnen des 18. Jahrhunderts durch das Oldenburger Schloss. Nur deshalb haben wir uns endlich dazu bequemt, uns „unter die Haube“ zu begeben.
Ziel war es also, brave, nicht zu ausufernde Häubchen zu machen. Bilder mit Dienstboten und ihren Kopfbedeckungen sind nicht immer ganz so einfach zu finden, ich fand aber, dass diese bürgerliche Kaffeegesellschaft um 1740 von dem flämischen Genre-Maler Jan Josef Horemans dem Jüngeren ein paar schöne Hauben zeigt, von denen die rechte durchaus auch für unsere Zwecke angemessen wäre (mit nur einer Rüsche, versteht sich). Die andere Inspiration war die Haube der „Belle Chocolatière“ von Jean-Etienne Liotard mit hübschen Falten an der Seite.
Dazu wollte ich wahrlich keinen Schnitt kaufen, also war selbst konzipieren angesagt. Als Grundlage habe ich den Schnitt für eine Riegelhaube von Marquise.de verwendet. Die Schleife habe ich weggelassen, dafür den Haubenboden deutlich verlängert, um ihn in Falten legen zu könnnen. Die angegeben 41cm für den Riegel waren ein guter Wert für den Durschschnittskopf.
Dazu wollte ich noch eine Rüsche am Rand, wie im Bild oben; als Material habe ich einen wunderbaren indischen Baumwollbatist verwendet, der nahezu durchsichtig ist.
Hier sind die zugeschnittenen Teile:
Die beiden langen Streifen sind für die Rüsche, jeder 112cm lang (breiter war der Stoff nicht). Diese beiden Streifen werden nachhher in der Mitte zusammengenäht. Den Riegel gibt es 2x, einemal als Futter. Dazu kommen noch zwei, etwa je 30 cm lange und 1 cm breite Streifen weißes Köperband, für den Tunnelzug am Hinterkopf.
Als erstes habe ich die Rüsche links auf links an einem der Riegelteile angeheftet (jede Falte wurde sofort mit einem Reihstich angenäht, alles andere macht später Ärger, vor allem, wenn man es mit Stecknadeln versucht). Die Falten sind etwa 1, 2 cm breit. Die Mitte des Riegels (Mittelscheitel 🙂 ) habe ich markiert, denn die Falten sollten an dieser Stelle die Richtung wechseln. Die verwendeten Falten sind Stiftfalten (knife pleats), und die sollten sowohl links als auch rechts nach außen zeigen, also: Wendestelle am Scheitel.
Am Ende sieht das dann so aus: (und weil es links ist, zeigen die Falten natürlich zur Mitte…) und dann wird die Falte umgeklappt und festgesteckt.
Wenn alles festgesteckt ist, wird erst mal der Haubenboden vorbereitet. Dazu habe ich die beiden Köperbänder in den Saum eingerollt. Am Ende werden sie festgenäht, der Saum ist zugleich der Tunnelzug:
Jetzt kann der Haubenboden an den Riegel gesetzt werden, augehend vom Mittelscheitel. Am Schluss kann man den überschüssigen Stoff dann in schöne Falten legen.
Dasselbe passiert auch auf der anderen Seite. Die Stecknadeln bei der Rüsche bleiben erstmal drin!
Jetzt wird das Futter des Riegels angesetzt – nicht verstürzt, was einfacher, aber weniger historisch akkurat wäre. Dazu wird erstmal die Nahtzugabe umgeknickt und dann werden vorsichtig und liebevoll die Nadeln umgesteckt, die bisher die gefaltete Rüsche gehalten haben. Genäht wird durch die gefalteten Falten, Futter und Oberstoff, natürlich mit zierlichen kleinen Stichlein.
Am Schluss wird noch ganz zart das Futter am inneren Rand angenäht, und fertig ist die bezauberndste, unattraktivste Kopfbedeckung der Welt.
Örgs:
Davon mal abgesehen: ich weiß nicht, ob meine umgeklappte Rüsche historisch brauchbar ist, aber ich finde sie hübsch und sie erspart Rollsaumtheater und gibt Volumen 🙂
Leider habe ich keine vernünftige Kamera, daher die schmerzhaften Smartphone-Photos
Und weil ein Häubchen einfach nicht genug ist, habe ich noch das Schoko-Girl hinterhergehauen:
Als nächstes folgt: „Vom Wesen der Françaisen“ – keine Komplettanleitung, aber Fotos vom Falten. Irgendwann gibt es noch ein Update zu Hosen, aber dazu muss ich sie erstmal enger machen – ein Yay!!! für Marmotta 😉